Haiti: Die Männer mit Krawatte |
Meldung vom 10.10.2024
Die Gewalt auf Haiti hat einen weiteren Höhepunkt erreicht. So schlimm sei die Lage noch nie gewesen, berichtet der unabhängige Menschenrechtsexperte der UN, William O'Neill – weder unter der 30-jährigen Duvalier-Diktatur noch nach dem Erdbeben von 2010 mit rund einer Viertelmillion Toten.
Haiti wird heute in weiten Teilen von Banden beherrscht. Besonders die Hauptstadt Port-au-Prince, wo rund ein Viertel der rund zwölf Millionen Haitianerinnen und Haitianer wohnen. Gangs unterjochen mittlerweile die Bevölkerung in 80 Prozent der Hauptstadt, sagt O’Neill.
Seit Anfang des Jahres starben mehr als 3.600 Menschen in Zusammenhang mit der Bandengewalt, die Zahl der intern Vertriebenen hat sich auf rund 700.000 Personen verdoppelt. „Sie töten Menschen, entführen sie für Lösegeld. Sexuelle Gewalt ist weit verbreitet, Leute werden gefoltert oder geschlagen“, sagt O'Neill. In der dramatischen Situation verschärft sich auch die humanitäre Lage. Fast die Hälfte der Bevölkerung leidet Hunger.
Politisch zerrissen ist die Lage in Haiti seit Jahren. Doch seit der Ermordung von Präsident Jovenal Moïse vor drei Jahren hat das Land keinen Ausweg mehr aus der Dauerkrise gefunden. Seit knapp einem halben Jahr versucht ein völlig zerrütteter und uneiniger Übergangsrat Herr der Lage zu werden.
Das politische Vakuum machen sich die Gangs zunutze. „Diese Banden bauen ihren Einfluss aus, ohne jegliche Ideologie dahinter“, so der Menschenrechtsexperte der UN, William O'Neill. Sie verfolgen dabei nicht die Strategien der Taliban oder der Al-Kaida, sondern gehen eher wie die italienische Mafia vor. „Es geht um Geld und darum, Territorien, Menschen und Märkte zu kontrollieren.“ Dabei verfolge man nicht das Ziel, einen Staat aufzubauen. Die Banden hätten keinerlei Rückhalt in der Bevölkerung, sagt O'Neill. Nach seinen Angaben gehören den größten Gangs an die Tausend Mitglieder an, viele erst im Teenageralter. Doch sie seien eng mit Politik und Wirtschaft verfilzt.
„Hommes en cravate“, Krawattenträger, nenne man jene Politiker und Businessleute, die mit den Banden an einem Strang ziehen. Bei Wahlen, dem Schutz von Monopolen oder anderer illegaler Aktivitäten instrumentalisieren sie die Banden und gebrauchen sie wie einen bewaffneten Arm. Über einige dieser Politiker und Geschäftsleute sind bereits vom UN-Sicherheitsrat oder den USA Sanktionen verhängt worden.
Um die katastrophale Sicherheitslage wieder in den Griff zu bekommen, bräuchte es laut O'Neill dringend eine funktionierende internationale Sicherheitsunterstützungsmission. Beschlossen hat sie der UN-Sicherheitsrat und vor wenigen Tagen um ein Jahr verlängert. Doch von den 2.500 internationalen Polizisten sind erst 400 im Land angekommen. Anscheinend fließt nicht ausreichend Geld.
Dennoch ist O'Neill sicher, dass die Banden in Haiti entmachtet werden könnten. Dazu müsse ein Waffenembargo angeordnet werden. Ohne Munition und Waffen aus den USA entziehe man den Banden ihre Macht. Und jene Politiker, die mit ihnen kooperieren, müssten handlungsunfähig gemacht werden. Alle Forderungen des Menschenrechtsexperten hatte der UN-Sicherheitsrat eigentlich bereits beschlossen. Doch realisiert wurden sie nicht.
Quelle: „Schweizer Radio und Fernsehen“, www.srf.ch
Schlagwörter: Haiti, Banden, Gangs, Gewalt, Anarchie, UN, Menschenrechte, Hunger, Vakuum, Waffenembargo, UN-Sicherheitsrat, Port-au-Prince, Jovenal Moïse, Sicherheitslage, Polizei, Mandat
Haiti wird heute in weiten Teilen von Banden beherrscht. Besonders die Hauptstadt Port-au-Prince, wo rund ein Viertel der rund zwölf Millionen Haitianerinnen und Haitianer wohnen. Gangs unterjochen mittlerweile die Bevölkerung in 80 Prozent der Hauptstadt, sagt O’Neill.
Seit Anfang des Jahres starben mehr als 3.600 Menschen in Zusammenhang mit der Bandengewalt, die Zahl der intern Vertriebenen hat sich auf rund 700.000 Personen verdoppelt. „Sie töten Menschen, entführen sie für Lösegeld. Sexuelle Gewalt ist weit verbreitet, Leute werden gefoltert oder geschlagen“, sagt O'Neill. In der dramatischen Situation verschärft sich auch die humanitäre Lage. Fast die Hälfte der Bevölkerung leidet Hunger.
Politisch zerrissen ist die Lage in Haiti seit Jahren. Doch seit der Ermordung von Präsident Jovenal Moïse vor drei Jahren hat das Land keinen Ausweg mehr aus der Dauerkrise gefunden. Seit knapp einem halben Jahr versucht ein völlig zerrütteter und uneiniger Übergangsrat Herr der Lage zu werden.
Das politische Vakuum machen sich die Gangs zunutze. „Diese Banden bauen ihren Einfluss aus, ohne jegliche Ideologie dahinter“, so der Menschenrechtsexperte der UN, William O'Neill. Sie verfolgen dabei nicht die Strategien der Taliban oder der Al-Kaida, sondern gehen eher wie die italienische Mafia vor. „Es geht um Geld und darum, Territorien, Menschen und Märkte zu kontrollieren.“ Dabei verfolge man nicht das Ziel, einen Staat aufzubauen. Die Banden hätten keinerlei Rückhalt in der Bevölkerung, sagt O'Neill. Nach seinen Angaben gehören den größten Gangs an die Tausend Mitglieder an, viele erst im Teenageralter. Doch sie seien eng mit Politik und Wirtschaft verfilzt.
„Hommes en cravate“, Krawattenträger, nenne man jene Politiker und Businessleute, die mit den Banden an einem Strang ziehen. Bei Wahlen, dem Schutz von Monopolen oder anderer illegaler Aktivitäten instrumentalisieren sie die Banden und gebrauchen sie wie einen bewaffneten Arm. Über einige dieser Politiker und Geschäftsleute sind bereits vom UN-Sicherheitsrat oder den USA Sanktionen verhängt worden.
Um die katastrophale Sicherheitslage wieder in den Griff zu bekommen, bräuchte es laut O'Neill dringend eine funktionierende internationale Sicherheitsunterstützungsmission. Beschlossen hat sie der UN-Sicherheitsrat und vor wenigen Tagen um ein Jahr verlängert. Doch von den 2.500 internationalen Polizisten sind erst 400 im Land angekommen. Anscheinend fließt nicht ausreichend Geld.
Dennoch ist O'Neill sicher, dass die Banden in Haiti entmachtet werden könnten. Dazu müsse ein Waffenembargo angeordnet werden. Ohne Munition und Waffen aus den USA entziehe man den Banden ihre Macht. Und jene Politiker, die mit ihnen kooperieren, müssten handlungsunfähig gemacht werden. Alle Forderungen des Menschenrechtsexperten hatte der UN-Sicherheitsrat eigentlich bereits beschlossen. Doch realisiert wurden sie nicht.
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Quelle: „Schweizer Radio und Fernsehen“, www.srf.ch
Schlagwörter: Haiti, Banden, Gangs, Gewalt, Anarchie, UN, Menschenrechte, Hunger, Vakuum, Waffenembargo, UN-Sicherheitsrat, Port-au-Prince, Jovenal Moïse, Sicherheitslage, Polizei, Mandat