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Zur Geschichte und Problematik des Landes

 





Somalia gilt als „gescheiterter Staat“. Der Begriff (engl. Failed State) geht auf eine Definition in der Politikwissenschaft zurück und bezeichnet einen Staat, der nicht mehr in der Lage ist, für die Sicherheit und das Existenzminimum seiner Bürger und eine Rechtsstaatlichkeit im Land zu sorgen und in dem es keine funktionierende Regierung mehr gibt. Jährlich wird ein Failed States Index herausgegeben: Somalia rangiert als Land mit höchster Negativ-Quote schon seit Jahren auf Platz eins im „Alarm-Bereich“.

Mehr als 20 Jahre Bürgerkrieg hat dieses Land über sich ergehen lassen müssen. In dem Land funktionierte über Jahre hinweg praktisch nichts mehr. Die Schulen und medizinischen Einrichtungen waren geschlossen, staatliche Systeme hatten alle ihren Dienst versagt. Die Hauptstadt Mogadischu geriet zu einem Schlachtfeld zwischen den Friedenstruppen der AU und der islamistischen al-Schabaab-Miliz.

Das war nicht immer so: Mogadischu wurde einst von den Italienern, die das Land kolonialisiert hatten, die „Perle des indischen Ozeans“ genannt. Doch seit das Land 1960 seine Unabhängigkeit erklärte, geriet es immer wieder in zermürbende territoriale Kämpfe zwischen verfeindeten Clanfamilien, regierungstreuen Truppen und islamistischen Gruppierungen.

Diese Auseinandersetzungen führten 1969 zu dem Mord an dem zweiten amtierenden Präsidenten Shermarke. Danach übernahmen pro-sowjetische Militärs unter Siad Barre die Macht. Zunächst orientierte sich Barre an der Sowjetunion, wandte sich aber später wirtschaftlich und politisch den USA zu.

Unter dem Geldzufluss und der strukturellen Unterstützung der Sowjetunion stellte sich in dieser Zeit eine Art Friede und ein funktionierendes Staatswesen in Somalia ein. Es gibt Fotos aus den 70er und 80er Jahren, die von einem Land zeugen, in dem ein einigermaßen normales Leben möglich war. Es gab in Mogadischu Hotels, belebte Straßen, Tennisclubs und Schwimmbäder. Von 1985 bis 1990 existierte dort sogar eine Deutsche Schule für Kinder, deren Eltern geschäftlich für eine Zeit in Somalia lebten – ein Zeichen für ein gewisses Maß an Sicherheit.

Doch dieser Friede war nur ein Scheinfriede. Mit dem Zusammenbruch des Kommunismus und dem Ende des Kalten Krieges zu Beginn der 90er Jahre fiel die ausländische Unterstützung in sich zusammen. Als der sowjetische und amerikanische Geldhahn für Somalia zugedreht wurde, konnte sich auch der zunehmend diktatorisch regierende Siad Barre nicht mehr an der Macht halten.

Somalia ging es dabei wie vielen afrikanischen Ländern: Die vom Ausland her unterstützten Satellitenregierungen hatten kein Interesse daran, dem Volk eine eigene Identität, eine eigene Kultur und Staatsform zu geben. Daher zerbrachen sie schnell. Barre war geschwächt und konnte 1991 von den Clans gestürzt werden.

Die an dem Sturz beteiligten Rebellengruppen waren aber nicht in der Lage, eine Folgeregierung zu etablieren. Somalia zerfiel in umkämpfte Einzelgebiete von Clans und Kriegsherren. Als Konsequenz dieser Wirren brach im Süden des Landes eine verheerende Hungersnot aus.

Im Jahr 2000 wurde eine Übergangsregierung in Somalia gebildet. Mitte 2006 eroberte die Union islamischer Gerichte Mogadischu und kämpfte gegen die Übergangsregierung. Die Islamisten provozierten auch das Nachbarland Äthiopien zum Krieg. Äthiopische Truppen rücken in Mogadischu ein und zwangen die Islamisten in kürzester Zeit zum Rückzug.

Anfang 2007 kam es in Mogadischu erneut zu heftigen Kämpfen zwischen Regierungstruppen und Islamisten, die hunderttausende in die Flucht trieben. Nach Abzug der äthiopischen Truppen aus Somalia wurde Ende Januar 2009 Sharif Sheikh Ahmed vom somalischen Übergangsparlament in Dschibuti zum neuen Staatspräsidenten gewählt. Diese Übergangsregierung wurde von einem geringen Kontingent an Soldaten der Afrikanischen Union (AMISOM) gegen die radikal-islamistische Gruppierung al-Schabaab verteidigt. Die Übergangsregierung verschanzte sich in einem kleinen Gebiet Mogadischus vor der Übermacht der Islamisten.

Jeden Tag wurden in Mogadischu sogenannte Häuserkämpfe ausgetragen. Scharfschützen lagen überall auf den Mauern auf der Lauer. Es herrschte Dauerkriegszustand und jeder Meter Grund wurde von der jeweiligen Partei hart umkämpft. Ganz Mogadischu glich einem Trümmerfeld. Die Häuser waren Ruinen, zerschossene Wände zeugten überall von einem erbarmungslosen Krieg. Die „Perle des indischen Ozeans“ hatte jeden Glanz verloren.

2010 geriet Somalia wegen Piraterie in die Schlagzeilen. Wichtige internationale Schifffahrtswege führen entlang der somalischen Küste. In Ermangelung einer Küstenwache hat sich die Piraterie zu einem profitablen Geschäft und einer großen Gefahr für die internationale Schifffahrt entwickelt.

Anfang 2010 schlugen Vertreter der Afrikanischen Union und der UN Alarm, da islamistische Terrorgruppen Somalia zunehmend als Basis für ihre Aktivitäten nutzen. Warnungen, die Somalia als zweites Afghanistan deklarieren, fanden wenig Gehör. Regierungsbeamte afrikanischer Länder sprachen von einem neuen „Wüsten-Terrorismus“, vor dem die westlichen Länder die Augen verschließen würden.

Ab 2010 verübten somalische Islamisten vermehrt Terrorangriffe in den Nachbarländern. Zu den brutalsten gehörte 2013 der Terrorangriff somalischer Islamisten auf ein Einkaufszentrum in Nairobi. Zahlreiche Menschen wurden bei diesem Geiseldrama erschossen. In Kenia wurden zudem immer wieder Touristen von der al-Schabaab-Miliz entführt. Dies führte schließlich dazu, dass die afrikanischen Nachbarländer mit Unterstützung der USA und der EU endlich eingriffen.

Kenianische Truppen, die die Entführungen von Touristen und Attentate in ihrem Land nicht mehr länger hinnehmen wollten, drangen in Somalia ein. Der UN-Sicherheitsrat beschloss im Dezember 2010 die Erhöhung der maximalen Truppenstärke von AMISOM um 4.000 auf 12.000 Soldaten. Auch die EU unterstützt die AMISOM. Die USA führt zudem immer wieder militärische Geheimoperationen gegen einzelne al-Schabaab-Führer durch.

Eine weitreichende militärische Operation der AU gegen die al-Schabaab-Miliz brachte 2011 große Erfolge. Mogadischu wurde vollständig befreit. Einige geostrategisch wichtige Städte wie Kismayo und Afgooye im Süden des Landes wurden 2012 von der AMISOM eingenommen.

In Mogadischu entwickelten sich aufgrund der relativ stabilen Sicherheitslage zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder öffentliche Strukturen. Häuser wurden wieder aufgebaut, Schulen, Flughafen und Krankenhäuser eröffnet. 2013 fand eine Wahl statt. Dabei wurde der frühere Universitätsprofessor Hassan Sheikh Mohamud zum Präsidenten gewählt. Mit ihm verbanden die Somalier große Hoffnungen. Damit verfügte Somalia seit langer Zeit zum ersten Mal wieder über eine stabile Regierung.

Obwohl die 2. demokratische Wahl 2017 in Somalia von Gewalt überschattet war, ist ein klarer Gewinner aus dem Urnengang hervorgegangen. Der frühere Regierungschef Mohamed Abdullahi Farmajo wurde zum neuen Präsidenten gewählt. An der Wahl konnten sich zwar noch nicht die gesamte Bevölkerung beteiligen, sondern nur die jeweils nominierten Clanchefs, doch sie wurde international als weiterer Fortschritt in Somalia bewertet. Farmajo musste sich vielen Problemen des Landes stellen: Die Bekämpfung von Dürre, Hungersnöten und Terror sowie der Aufbau des wirtschaftlich ruinierten Landes und die weitere Stabilisierung der Demokratie gehörten zu seinen Hauptaufgaben. Die Antrittsrede des neuen Präsidenten fiel dementsprechend ehrlich aus: „Gerne würde ich in den kommenden vier Jahren alle Probleme regeln. Das wird aber schwierig sein, weil die Probleme durch mehr als 20 Jahre Konflikte und Dürre hervorgerufen wurden.“

Leider konnte Farmajo die Probleme nur ansatzweise regeln. Und was ihm einen besonders schlechten Ruf einbrachte: Er konnte nach Auslaufen seiner Amtszeit keinen fairen Übergang zu einer demokratischen Wahl einleiten. Die Amtszeit des Präsidenten ging am 8. Februar 2021 zu Ende. Eigentlich hätten rechtzeitig im Vorfeld Parlaments- und Präsidentschaftswahlen stattfinden sollen. Wegen politischer Streitigkeiten wurden sie jedoch immer wieder vertagt, und Farmajo konnte an der Macht bleiben. Dies mündete in eine Verfassungskrise. Farmajo hatte ein umstrittenes Gesetz signiert, mit dem er zwei Jahre länger regieren hätte können. Das Oberhaus wurde dabei aber außen vor gelassen. Das brachte die Bevölkerung gegen ihn auf: Zahlreiche Demonstrationen, unter anderem mit Toten, verunsicherten das Land. Die Wut auf den Straßen in Somalia war zuletzt zu groß geworden: Mohamed Abdullahi Farmajo wurde zum Einlenken gezwungen und erklärte sich bereit, Neuwahlen einzuleiten. Damit räumte er gleichzeitig den Platz für einen etwaigen Nachfolger.

Im November 2021 begann Somalia mit Neuwahlen von Abgeordneten für das Unterhaus des Parlaments. Damit machte das Land einen großen Schritt in Richtung neuer Präsidentschaftswahlen. Die ersten beiden Abgeordneten aus Somaliland wurden in der Hauptstadt Mogadischu unter verschärften Sicherheitsvorkehrungen gewählt. Wahlberechtigt waren etwa 30.000 Clan-Delegierte, die in den weiteren Wochen 275 Abgeordnete für das Unterhaus bestimmt haben, während Somalias fünf Landesparlamente die 54 Senatoren des Oberhauses gewählt haben. Erst nach dieser Wahl und der anschließenden Vereidigung war der Weg zur Präsidentenwahl frei.

Die Präsidentenwahl wurde schließlich im Mai 2022 abgehalten. Dabei haben die Volksvertreter mit deutlicher Mehrheit den Ex-Präsidenten Hassan Sheikh Mohamud zum neuen Staatsoberhaupt bestimmt. Er konnte sich gegen den Amtsinhaber behaupten. Der somalische Staatschef wird weiterhin noch nicht vom Volk gewählt, sondern Vertreter der Bundesstaaten und Clans ernennen die Parlamentsabgeordneten, die wiederum den Präsidenten wählen.

Die Abstimmung vollzog sich unter strengen Sicherheitsvorkehrungen in einem Hangar im Flughafen der Hauptstadt Mogadischu. Zu Beginn des stundenlangen Wahlvorgangs wurden in der Nähe des Flughafens Explosionen gemeldet. Tote gab es aber wohl keine, die Vorfälle zeigen aber, wie angefochten diese Wahl war und wie fragil die Sicherheitslage in Somalia ist. Sheikh Mohamud muss sich enormen Schwierigkeiten stellen:Er muss nicht nur den islamistischen Aufstand zurückdrängen, sondern auch die Folgen einer verheerenden Dürre meistern.

Das Land hat Frieden und Stabilität dringend nötig. Denn im Süden und in Zentralsomalia wird weiter heftig gekämpft. Die Gewalt sorgt für zahlreiche Flüchtlingsströme. Die Macht der al-Schabaab-Miliz ist noch lange nicht gebrochen. Auch in Zukunft steht das Land vor gewaltigen Herausforderungen. Die vielen Flüchtlinge sind auf Hilfe von außen angewiesen.